Neues EU-Parlament: Chaos dank Brexit?

Eure tägliche Dosis Europe to Go fasst für euch zusammen, was in Europa gerade wichtig ist. Heute: Wie der Brexit für Chaos im EU-Parlament sorgt, was mit den britischen Sitzen nach dem EU-Austritt passieren soll, wie die Abgeordneten aus Großbritannien trotzdem noch über wichtige Entscheidungen mitbestimmen, welchen Einfluss die Rechtspopulisten um Nigel Farage haben könnten und was uns der ganze Spaß eigentlich kostet.

Ihr habt es ja bestimmt schon alle mitbekommen: Die britische Premierministerin Theresa May hört auf. Zum 7. Juni gibt sie ihr Amt als Chefin der Konservativen Partei ab. So richtig überraschend kam das nicht. Politischer Erfolg sieht schließlich anders aus. Vor drei Jahren – also kurz nach dem Brexit-Referendum – ist May ins Amt der Premierministerin gestartet. Ihre Jobbeschreibung war ziemlich eindeutig: den Austritt Großbritanniens aus der EU klar machen und den bestmöglichen Deal für die Briten aushandeln. 

Nun gut. Jetzt haben die Briten noch bis zum 31. Oktober Zeit, byebye EU zu sagen. Was für ein Drama. Denn weil sie im Moment noch in der Union festsitzen, mussten sie am 23. Mai für das neue EU-Parlament abstimmen. Das wollten ja alle vermeiden, die Briten selbst und auch die EU. Denn: dass die Briten noch da sind, sorgt für ne Menge Stress. 

 

Okay, keine Sorge. Ihr müsst nicht nochmal wählen, wenn die Briten uns verlassen. Aber ein bisschen was ändert sich schon. Zum einen sollte dann das EU-Parlament kleiner werden.  Momentan sind es 751 Abgeordnete, bald dann nur noch 705. Aber Moment mal: Die Briten sind gerade noch mit 73 Sitzen vertreten… Wer mitgerechnet hat, weiß, dass das nicht ganz stimmen kann. 27 Sitze sollen nämlich neu verteilt werden. Frankreich und Spanien bekommen zum Beispiel fünf dazu. Wir in Deutschland haben mit 96 Sitzen eh schon die meisten, da ändert sich nichts. Tja, aber im Moment sind die Briten ja noch da. Also bleibt es erstmal bei 751 Sitzen. Bis Ende Oktober, dann soll Großbritannien spätestens austreten – so ist der Plan. Und was machen die 27 Ersatz-Abgeordneten bis dahin? Wohl abwarten.

 

Obwohl die britischen Abgeordneten mit der EU bald nicht mehr viel zu tun haben werden, sind sie ganz schön einflussreich. Sie bestimmen nämlich mit, wie die Union in den nächsten fünf Jahren aussehen soll. Zum Beispiel in Sachen Kommissions-Präsident. Das Europäische Parlament bestimmt nämlich mit, wer die Nachfolge von Jean-Claude Juncker antritt. Sie könnten am Ende vielleicht ausschlaggebend dafür sein, ob ein Kandidat gewinnt oder nicht. Die Briten machen nämlich 10 Prozent der Stimmen aus. Ganz schön viel Macht, wenn man bedenkt, dass sie in einem halben Jahr abreisen. Großbritannien könnte auch einen eigenen EU-Kommissar stellen und leitende Positionen im Parlament annehmen… No comment... 

 

Umfragen zeigen, dass die neue Brexit-Partei von Nigel Farage bei der Europawahl ziemlich weit vorne liegt. Und das heißt: Im Europäischen Parlament wird es bald noch mehr EU-Skeptiker geben. Und das, weil da Leute vertreten sind, die eigentlich nicht mehr dabei sein sollen… oder wollten. Zusammen mit anderen populistischen Parteien könnten die Briten ganz schön viel euroskeptische Macht bekommen und wenn sie noch länger bleiben sollten, im Parlament sogar Gesetze blockieren.
Aber - und jetzt wirds kompliziert - die Machtverhältnisse könnten sich später nochmal ändern. Denn wenn die britischen Abgeordneten abreisen, rücken - wie ihr jetzt wisst - 27 neue nach. Und die müssen nicht unbedingt der gleichen Fraktion angehören. Das heißt Populisten werden nicht unbedingt durch Populisten ersetzt.
Übrigens könnte es ohne die britischen Abgeordneten für die Fraktionen noch ganz andere Probleme geben: Stichwort Geld. Denn wer nicht mitmacht, zahlt auch nicht, klar. Und das tut nicht nur den Populisten weh. Die Grünen würden so zum Beispiel 34.000 Euro verlieren.

 

Und wo wir schon bei Geld sind: Mehr Abgeordnete kosten auch mehr. Also wenn die britischen Politiker teilweise ersetzt werden, ist das natürlich teurer, als wenn wir einfach 73 Sitze weniger hätten. Logisch.
Die EU-Haushaltspolitikerin Ingeborg Gräßle von der CDU hat mal nachrechnet: Laut ihr kostet es 21 Millionen Euro, wenn die Briten noch bis Ende Oktober bleiben. Das war’s noch nicht. Jedes weitere Jahr, das die Briten bleiben, würde die EU nochmal 36,3 Millionen Euro zusätzlich kosten. Aber keine Panik: Das Geld zahlt nicht nur ihr, sondern auch das Vereinigte Königreich. Solange sie in der EU sind, zahlen die Briten ja auch weiter in den EU-Haushalt ein.
So viel dazu. Was wir aber nicht wissen ist, wie teuer dieses ganze Brexit-Debakel insgesamt schon war. Also die ganzen Gipfeltreffen, die ganzen Mitarbeiter für die Verhandlungen, Reisekosten, Hotels - dafür zahlen schließlich dann doch wir Steuerzahler. Und dann natürlich die Zeit, die dabei draufgegangen ist! Da hätten sich die Politiker bestimmt auch um andere Dinge kümmern können…

 

Ihr seht also, es bleibt spannend. Die Auswirkungen der britischen EU-Wahl kriegen wir anderen Europäer übrigens nur dann wirklich zu spüren, wenn die Briten nicht bis zur ersten Sitzung des EU-Parlaments aus der Union ausgetreten sind. Und die ist Anfang Juli. Bis dahin sind wir von Europe to Go natürlich weiterhin für euch da und halten euch auf dem Laufenden!

Journalist

Sira Thierij

Land

Frankreich

Jahr

2019

Dauer

6 Min.

Verfügbar

Vom 25/05/2019 bis 27/05/2030

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