#Resilienz

Wie lässt sich die Klimakatastrophe überwinden?

#Resilienz

Wie lässt sich die Klimakatastrophe überwinden?

Das Jahr 2019 war ein Jahr des Zweifels und gar des Verzweifelns an der Klimaerwärmung: Und was, wenn die Menschheit in Wahrheit unfähig wäre, entschlossen und wirksam genug zu reagieren, um die Katastrophe abzuwenden? Gibt es überhaupt einen Ausweg? Rob Hopkins entwickelt seit fast fünfzehn Jahren eine Methode zur Vorbereitung unserer Gesellschaften auf die bevorstehenden Umwälzungen. Wir haben ihn getroffen.

"Rob Hopkins" by boellstiftung is licensed under CC BY-SA 2.0
Rob Hopkins, Begründer der Transition-Town-Bewegung

Foto : Stephan Roehl – CC BY SA 2.0

Die Katastrophe hat bereits stattgefunden

Dürren und Hitzewellen in Europa und Asien, Flächenbrände in Amazonien und Afrika, Überschwemmungen und Wirbelstürme in Amerika…

Die Klimakatastrophen des Jahres 2019 zeugen deutlicher denn je von den tiefgreifenden Veränderungen unserer Umwelt. Die Warnungen der Wissenschaftler, die Forderungen einer Greta Thunberg an die Verantwortlichen, die Schulstreiks für das Klima und das rasche Aufkommen von Bewegungen wie Extinction Rebellion oder Deep Green Resistance haben die Medien gezwungen, die Katastrophe und die Untätigkeit der Regierenden in den Fokus zu stellen. Immer mehr Menschen ist die Dringlichkeit bewusst geworden: Wenn wir nicht jetzt reagieren, werden die Umwälzungen derart einschneidend sein, dass sie hunderte Millionen Menschen massiv betreffen werden. Laut dem UN-Flüchtlingswerk (UNHCR) zwingen die Umweltveränderungen bereits jetzt 25 Millionen Menschen im Jahr zur Flucht.

Was ist Resilienz?

Der Begriff Resilienz bezeichnet ursprünglich in der Physik die Fähigkeit eines Materials, im Fall eines Schocks dessen Energie zu absorbieren.

Er wurde dann auf andere Bereiche übertragen, so auf die Psychologie (Fähigkeit eines Individuums, eine traumatische Erfahrung zu überwinden), die Biologie, die Informatik und sogar die Kunst.

Rob Hopkins benutzt den Begriff, um Möglichkeiten zur Anpassung unserer Gesellschaften an knapp werdende Ressourcen, insbesondere Erdöl, und an den Klimawandel zu beschreiben.

Der gelernte Professor für Permakultur (Nachhaltige Landwirtschaft) Rob Hopkins lässt sich 2005 in der südenglischen Kleinstadt Totnes nieder. Dort gründet er die Bewegung Transition Towns (Städte im Wandel) und entwickelt seine Theorien im Praxisversuch in Lebensgröße laufend weiter. So wurde Totnes zum Labor für Übergangsstrategien, die sich alle darum drehen, die Resilienz des Systems Stadt zu fördern.

 

Die Transition-Towns-Bewegung hat sich seither ausgebreitet und umfasst heute fast eintausend Initiativen in fünfzig Ländern. Rob Hopkins verfolgt von Anfang an einen pragmatischen Ansatz. 2008 veröffentlicht er The Transition Handbook: From Oil Dependency to Local Resilience (Energiewende. Das Handbuch: Anleitung für zukunftsfähige Lebensweisen). Das Werk entfaltet eine praktische Methodologie, die die Erfahrungen von Totnes in jeder beliebigen menschlichen Gemeinschaft reproduzierbar machen will.

„In meiner Auffassung von Resilienz blickt man eher auf das aktuelle Fehlen von Resilienz, um genau diese Leerstelle als Chance zu verstehen, alles neu zu erfinden.“

Schwachstellen diagnostizieren

Den Ausgangspunkt bildet für Hopkins eine von allen akzeptierte Bilanz der Schwachstellen und Chancen einer Gemeinschaft in ihrem Lebensraum. Letzterer kann unterschiedliche Dimensionen haben. So bezog sich eines der Projekte in Totnes auf die unmittelbare Nachbarschaft.

Die Notwendigkeit einer Ausgangsdiagnose unterstreichen auch andere Experten, so etwa der französische Anthropologe und Philosoph Bruno Latour, der an der Elitehochschule Sciences Po Paris lehrt. In seiner dortigen Antrittsvorlesung legt er dar, dass wirksames politisches Handeln nur auf einer Bilanz beruhen kann, die er „Terrain-Beschreibung“ nennt. Von den Beschwerdebüchern der Französischen Revolution ausgehend, entwickelt er einen Prozess, in dem die Bewohner eines Territoriums selbst ganz konkret dessen Lage und Problematik beschreiben.

Ausschnitt aus der Antrittsvorlesung, auf französisch
Transition network CC BY SA

Soziale Beziehungen als Schlüsselfaktor

Die konkreten Erfahrungen der Transition-Bewegung führen Rob Hopkins zu einer Erkenntnis: So unterschiedlich die jeweiligen technischen und praktischen Lösungen sein mögen, die Prozesse, die sie möglich machen, sind die gleichen und damit reproduzierbar.

Deswegen hängt die Resilienz einer Gemeinschaft, ihre Fähigkeit, Krisen zu überwinden, nicht so sehr von den technischen Mitteln ab, die sie zur Verfügung hat, sondern in erster Linie von den sozialen Beziehungen, die sie herzustellen vermag.

Räume öffnen, um Veränderung möglich zu machen

Phänomene wie Klimawandel, Ressourcenknappheit, Niedergang der Artenvielfalt, Verarmung der Böden sind globaler Natur. Das gibt dem Einzelnen und den lokalen Gemeinschaften den Eindruck, sie kaum beeinflussen zu können. Diesem Gefühl wirkt der Ansatz von Rob Hopkins entgegen. Er schafft auf individueller und lokaler Ebene, von unten, vom Bürger ausgehend, die Bedingungen für die Entwicklung von Lösungen, die effizienter auf globale Herausforderungen antworten als viele Maßnahmen von oben.

Der Faktor Zeit – Grenze der Resilienz?

Die Prozesse, die Rob Hopkins in Gang setzen möchte, beruhen auf dem Engagement der Bürger im begrenzten lokalen Maßstab. Um globale Wirkung zu entfalten, müssen also sehr viele Bürger überzeugt werden und sich engagieren.

So rasch sich die Transition-Towns-Bewegung in den letzten fünfzehn Jahren auch verbreitet hat, auf globaler Ebene bleibt ihr Gewicht verschwindend gering. Angesichts der akuten Dringlichkeit, die er selbst unterstreicht, scheint Rob Hopkins damit an eine Grenze zu stoßen. Seine Antwort darauf: Genau wie er in seiner Methode die Perspektive auf das globale Klimaproblem umkehrt in ein Engagement auf der lokalen, beeinflussbaren Ebene, kehrt er den Faktor Dringlichkeit um zum Motor der Kreativität.

Journalisten: David Zurmely, Mathieu Boch
Schnitt: Isabelle Nommay, Anne-Laure Wittmann

© ARTE G.E.I.E 2019