Es war an einem schönen Tag im Jahr 1835, als der Schriftsteller Honoré de Balzac den Begriff „mauvais genre“ (Ungehörigkeit) prägte, um über Dinge zu sprechen, die den Rahmen bürgerlicher Moralvorstellungen sprengen. Die Tabubrüche von damals haben bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Eine Reihe des Radiosenders France Culture beschäftigt sich seit 1997 mit den verschiedenen Ausprägungen des „mauvais genre“. Jetzt ist das Begleitbuch dazu erschienen: L’encyclopédie pratique des mauvais genres (Praktische Enzyklopädie des Ungehörigen) von Céline du Chéné beschreibt in 26 Porträts, wie das genau aussieht, was sich angeblich nicht gehört. Das Nachschlagewerk führt dem Leser vor Augen, wie verschieden die Geschmäcker in der Praxis sein können. Tracks hat für Sie einen Blick hineingeworfen.
A wie Animal Play
Ich spiele kein Pferd, ich bin ein Pferd. Meistens laufe ich mir die Füße wund, aber man muss den Schmerz überwinden, um über sich hinauszuwachsen. Ich will den Menschen beweisen, dass man durchaus aus der eigenen Haut schlüpfen kann.
Halb Mensch, halb Stute: Karen Chessman ist Vize-Weltmeisterin im Ponyplay, einer Variante des erotischen Rollenspiels, bei der ein Partner sich dem anderen in der Rolle eines Pferdes unterwirft. Die Leidenschaft für Pferde geht auf Karens Kindheit zurück – eine Kindheit voller traumatischer Erlebnisse: Die sexuellen Übergriffe durch Priester und die Vergewaltigung durch einen Lehrer konnte der kleine Junge, der jetzt als Transgender lebt, nur seinen Freunden, den Pferden anvertrauen. Pferd zu sein bedeutet für Karen, den Schmerz zu verdrängen. Sie steht dem nordamerikanischen Indianervolk der Nez Percé nahe, die in ihr ein „two spirit“ sehen – so bezeichnen die Stammesangehörigen Menschen, die keinem bestimmten Geschlecht zugeordnet werden können – und für sie einen maßgeschneiderten Harnisch angefertigt haben, der aus einem Korsett mit Pferdeschwanz besteht. Wenn Karen den Harnisch, das Pferdegeschirr und ihre hochhackigen Stiefel anlegt, wird sie zur Stute Starfighter, zieht einen Wagen hinter sich her oder trabt durch den Wald.