Oscar Wilde war ein erstaunlicher Beobachter von Situationen und Verhaltensweisen. In seinem Stück "Salomé" beschreibt er scharfsinnig, wie Menschen den Verstand verlieren, wenn sie sich verlieben oder nach Macht streben, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen. Dadurch erhält Wildes Salome eine gewisse Komik: Etwas passiert und gleich darauf schlägt das Ganze in das Gegenteil um.
In der Schlussszene der Oper, Salomes Monolog, mit dem Strauss die Figur der Salome vertieft, fehlt die Komik gänzlich. Hier wird deutlich, was aus Salome geworden ist, in ihrer Umgebung: Sie ist dekadent und blutrünstig, obwohl sie noch ein junges Mädchen ist. Die Schlussszene ist eine Art kathartischer Prozess, den Salome durchläuft, um ihre Gefühle und ihre reine und helle Seele zu entdecken. Richard Strauss' Musik drückt Salomes Unschuld aus, die Unschuld eines wirklich weisen Menschen. Mit dieser Inszenierung habe ich versucht, das Rätsel zu lösen, das mich auch nach meiner ersten Begegnung mit Salome nicht losgelassen hat.