Am Anfang dieser Recherche standen ein paar zufällig entdeckte Instagram- und TikTok-Videos, in denen junge, manchmal kaum volljährige Männer ungeniert und detailliert vorführen, wie eine Steroid-Kur funktioniert, was sie sich davon erhoffen, welche Produkte sie nehmen und manchmal sogar, an welcher Körperstelle sie sich spritzen. Befeuert wird der gefährliche Trend von einflussreichen Fitness-Coachs mit vielen tausend Followern. Die prominenten Pumper preisen die erzielten Ergebnisse an, erwähnen nebenbei auch mal kurz die Risiken, tragen aber vor allem zur wachsenden Beliebtheit verbotener Dopingmittel gerade bei einer sehr jungen Zielgruppe bei. Diese Inhalte werden zehntausendfach angeschaut, ohne Warnhinweise oder Zugangsbeschränkungen. Was noch vor zehn Jahren tabu war, wird heute offen zelebriert und verharmlost. Steroide gehören längst nicht mehr nur in die Welt der Bodybuilder und Spitzensportler. Gerade für Jungs sind sie heute ein gefährlicher Shortcut vom kindlichen zu einem erwachsenen, muskulösen Körper. Eine US-amerikanische Studie des Center for Countering Digital Hate zeigt, dass TikTok-Videos mit Hashtags, die Steroide bewerben, in Amerika innerhalb von drei Jahren bis zu 587 Millionen Mal angeschaut wurden. Wir wollten mehr herausfinden über diese neue, junge und gefährlich sorglose Form von Doping.
Influencer, Coachs und Social Media
Auf Social Media sind anabole Steroide überall. Es ist die Rede von „Kuren“, „Zyklen“ und „Anleitungen“, als gehe es um die Einnahme harmloser Nahrungsergänzungsmittel. Die Händler sind nur einen Klick entfernt: auf Telegram, über Online-Shops oder im direkten Kontakt mit manchen Coachs. Auch der Kaufvorgang ist einfach. Man braucht kein Rezept und muss sich noch nicht mal ausweisen. Es reicht eine Überweisung oder Zahlung in Kryptowährung, und schon wird geliefert. Die Ware kommt in einem diskreten Päckchen aus Litauen, Polen oder Portugal. Das Rohmaterial stammt oft aus Südostasien, Kambodscha, Thailand oder China. Manche Verkäufer stellen die Steroide nebst Anleitungen inzwischen selbst zur Verfügung, und auf diesem grauen Markt werden auch Coachs zu Dealern. Auf TikTok und Instagram preisen Dutzende ganz offen ihre „Kuren“ an, pushen ihre „Top 3 der besten Steroide“, Tutorials und Tipps zur Minderung von Nebenwirkungen. Manche dieser Coachs sind gerade mal 18 oder 19. Einige bieten sogar eine Doping-Komplettbetreuung an: Hintergrundwissen und professionelle Tipps für ein paar hundert Euro im Monat. Verdeckt kontaktieren wir einen solchen Coach. Erst gibt er sich als „Fitness-Berater“ aus, bald aber bietet er Steroide an, die man entweder direkt bei ihm oder mittels Gutscheincode auf einer Partner-Website kaufen kann. Dabei ist das Gesetz in Frankreich klar: Der Anreiz zur Nutzung von Dopingprodukten wird mit fünf Jahren Gefängnis bestraft. Doch online häufen sich die Videos, und Plattformen wie TikTok versäumen es trotz aller Versprechen, hier einmal richtig aufzuräumen. Obwohl die Gesundheitsrisiken, die mit der Einnahme anaboler Steroide einhergehen, seit Jahrzehnten und zur Genüge bekannt sind.
Online-Schlupflöcher
Als wir der Spur des Geldes folgen, stoßen wir auf mehrere Neobanken. Manche von ihnen, wie Qonto und Stanhope Financial, beherbergen die Konten der Websites, die illegal anabole Steroide verkaufen. Offiziell geben die Banken an, ihre Kunden streng zu überprüfen. Tatsächlich aber wurden besagte Konten unter falscher Identität oder durch Briefkastenfirmen eröffnet und ändern sich ständig. Keine der genannten Banken hat uns glaubhaft erklärt, wie diese Unternehmen bei ihnen ein Konto eröffnen konnten.
Quellen und nützliche Links:
- US-amerikanische Studie zur Omnipräsenz anaboler Steroide auf TikTok:
https://counterhate.com/wp-content/uploads/2023/09/TikToks-Toxic-Trade-Steroids-and-Steroid-Like-Drugs.pdf
- Risiken und Nebenwirkungen anaboler Steroide:
https://www.fda.gov/consumers/consumer-updates/caution-bodybuilding-products-can-be-risky
https://www.nhs.uk/conditions/anabolic-steroid-misuse/
https://bacandrology.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12610-016-0029-4
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/joim.12850
Illegaler Handel mit anabolen Steroiden
Dopingmittel – Rechtslage in Frankreich:
https://www.sports.gouv.fr/lutte-contre-le-trafic-89?utm_source=chatgpt.com
Dopingmittel – Rechtslage in Deutschland:
https://www.gesetze-im-internet.de/antidopg/BJNR221010015.html
Razzien gegen kriminellen Dopingmittelhandel in Europa:
https://ieu-monitoring.com/editorial/europol-network-of-traffickers-selling-steroids-to-influencers-dismantled/404034?utm_source=ieu-portal
https://www.europol.europa.eu/media-press/newsroom/news/gym-doping-bust-traffickers-selling-steroids-to-influencers
https://anti-fraud.ec.europa.eu/media-corner/news/dismantling-illicit-production-steroids-and-medicines-poland-2024-01-04_en
https://cbsp.policja.pl/cbs/aktualnosci/239660%2cJedna-z-najwiekszych-akcji-w-historii-CBSP-wymierzona-w-przestepczosc-farmaceuty.html