Zensur von Journalisten ist normal
Vladimirova weiß, was es bedeutet, wenn Journalisten in ihrer Arbeit zu kritisch sind. Bis vor einigen Jahren arbeitete sie für den Radiosender Bulgarisches Nationales Radio. Der gleiche Sender, der Lili Marinkowa vor den Präsidentschaftswahlen kündigte. Vladimirova war dort an der Radiosendung Dekonstruktion beteiligt, die nach einiger Zeit wieder eingestellt wurde. Die Sendung hatte zum Ziel, politische Sachverhalte aus möglichst vielen Perspektiven kritisch zu beleuchten – und so zu dekonstruieren. Das Aufzeigen verschiedener Standpunkte reichte aus, um die regierungskritische Sendung abzusetzen. „Journalisten in Bulgarien zu zensieren, ist ganz normal. Die Korruption entwickelt sich immer weiter und zur gleichen Zeit werden die Medien immer mehr zerquetscht“, so die Journalistin.
Selbst wenn Victoria Marinowa nicht aufgrund ihrer journalistischen Arbeit ermordet wurde, bleibt die Lage in Bulgarien prekär, vor allem für Journalisten, die sich der Regierung und einflussreichen Unternehmen unbequem in den Weg stellen und damit öffentliche Debatten auslösen. Die Pressefreiheit ist letztlich immer auch ein Indikator für den Zustand einer Demokratie. Und so verwundert es nicht, dass nicht nur die Situation der Medien in Bulgarien und der unabhängige Journalismus bedroht sind, sondern auch der rechtliche und kulturelle Gesamtzustand des Landes. Großes Misstrauen in der Gesellschaft gegenüber Politik und Medien prägt das Land. Es bleibt abzuwarten, ob Bulgarien den Moment für sich nutzt, um eine offene Debatte über Korruption, freie Presse, Frauenrechte und weitere Missstände anzustoßen.
Madlen Geidel