Viele Deutsche haben seit ihrer Schulzeit den Satz "Wehret den Anfängen!" im Hinterkopf. Wie gerät man dazu nicht in Widerspruch?
Etwas mehr Gelassenheit wäre hier angebracht. "Wehret den Anfängen" – da muss man sich fragen, droht hinter jedem, was ich als Anfang vermute, das Dritte Reich 2.0? Ich unterschreibe diesen Satz auch, aber mit dieser Vorsicht, dass ich nicht unentwegt daran glaube, einem ‚Anfang‘ zu begegnen, der in Faschismus mündet.
Man sollte sich immer kritisch selbst befragen: Kann ich wirklich nicht anders, ohne mich selbst zu verraten, oder ist es bloß ein kurzes moralisches High, das ich mir abhole, indem ich einen mutmaßlichen Rechten ausgrenze? Hinterfragt man sich ganz genau selber, ist es oft weniger eine Gewissensfrage, sondern hat es mehr mit Ausweichenwollen zu tun. Man sollte mehr über seinen eigenen Schatten springen.
Ich möchte der Friseurin nicht in Abrede stellen, eine Entscheidung getroffen zu haben, die ihr ihr Gewissen auferlegt hat. Aber vielleicht ist ihrem Gewissensspruch mehr gedient, wenn sie dem Herren die Haare schneidet und bei einem zwanglosen Gespräch versucht, ein paar Botschaften loszuwerden oder überhaupt versucht, in ein Gespräch zu kommen. Damit bleiben Meinungen beweglich und Menschen schotteten sich in ihren verhärteten Positionen weniger voneinander ab.