Die Bewohner von Tripolis stellen sich auf das Schlimmste ein. Etwa 2800 Menschen sind seit Donnerstag vor den neuen Kämpfen um die libysche Hauptstadt geflohen, Augenzeugen berichteten der Deutschen Presseagentur von Hamsterkäufen – Treibstoff und Lebensmittel könnten für längere Zeit knapp werden, befürchten sie.
Regierung und Gegenregierung
Tripolis ist bislang unter der Kontrolle der international anerkannten libyschen Einheitsregierung von Ministerpräsident Fayiz al-Sarradsch. Doch seit Donnerstag rückt General Chalifa Haftar, mit seiner sogenannten „Libyschen Nationalen Armee“ (LNA) auf die Stadt vor. Haftar gilt als mächtigster Gegenspieler der Regierung in Tripolis. Er ist ein Verbündeter des libyschen Parlaments, das seinen Sitz seit Ausbruch des Bürgerkriegs 2014 in Tobruk, im Osten Libyens, hat. Haftar kontrolliert große Gebiete im Osten und Süden des Landes, darunter zahlreiche Ölförderanlagen. Seinem Ziel, die größtmögliche Kontrolle über die Öl- und Gasfelder Libyens zu gewinnen, ist Haftar in letzter Zeit immer näher gekommen. Damit hofft er, der Regierung in Tripolis den Geldhahn zudrehen zu können. Seit einigen Monaten haben seine LNA-Truppen im Libyen-Konflikt die Oberhand.
Eingeschlossen in der Kampfzone
Seit Beginn der Offensive auf die Hauptstadt am 4. April sind mindestens 49 Menschen getötet worden. Viele Zivilisten seien in dem umkämpften Gebiet im Süden von Tripolis eingeschlossen und könnten es wegen der andauernden Kämpfe weder verlassen, noch könnten Rettungskräfte dorthin gelangen, erklärte das UN-Büro für Menschenrechte am Montag. Beides sei Anlass zu großer Sorge. Die Einheitsregierung hat einen eigenen Einsatz zur Verteidigung von Tripolis eingeleitet. Doch sie hat keine reguläre Armee und muss sich auf verschiedene lokale Milizen verlassen.
Machtvakuum und Ausbeutung von Flüchtlingen
In Libyen herrscht seit Jahren Chaos, nachdem 2011 der Diktator Muammar al-Gaddafi mit westlicher Hilfe gestürzt wurde. Hunderte Milizen und Gangsterbanden kämpfen mit wechselnden Fronten und Bündnissen um Einfluss. Die Regierung in Tripolis wird zwar von westlichen Staaten wie den USA und den EU-Mitgliedern offiziell anerkannt, doch sie gilt schon seit langem als schwach; das gesamte Staatsgebiet hatte sie nie unter ihrer Kontrolle. Schlagzeilen machte Libyen in den letzten Jahren vor allem durch das, was durchreisende Migranten dort erleben: Viele von ihnen, die ihre Heimat in Subsahara-Afrika in der Hoffnung auf ein neues Leben in Europa verlassen, erleben in Libyen Folter, Vergewaltigung und Ausbeutung durch Schlepper, Milizen und im Gefängnis.