Rahul Gandhi ist beim Volk weniger beliebt als sein Kontrahent vom BJP und hat dazu erst vor kurzem die Zügel der altehrwürdigen Kongresspartei übernommen. Dennoch hat dieser Sohn, Enkel und Urenkel von indischen Premierministern seit seinem Amtsantritt Ende 2017den nationalistischen Hindus eine harte Nuss zu knacken gegeben.
Seine Kongresspartei hat der BJP in den letzten Monaten heftige Niederlagen beschert, indem sie zahlreiche Regionalwahlen gewann: im Süden, in der Region Karnataka, und im Norden, mit den drei Schlüsselstaaten Madhya Pradesh, Rajasthan und Chhattisgarh.
In den Monaten vor dem Wahlkampf, und angesichts der Aggressivität seines Gegners, hat der Vorsitzende der Kongresspartei gelernt, sich von seiner offensive Seite zu zeigen. Wirtschaftlicher Misserfolg, Unfrieden zwischen den Gemeinden, wachsende Ungleichheiten: Er zögert nicht, den Finger in die Wunden zu legen und die Irrrungen von Modis vergangener Amtszeit anzuprangern.
Allerdings kann man es auch übertreiben. „Rahul Gandhi tut sich damit schwer, die Leute um seinen Namen zu versammeln“, erklärt die Politikwissenschaftlerin und Leiterin des Südasienprogramms des Forscherkollektivs Noria, Charlotte Thomas, in einem Interview für die Tageszeitung Le Figaro. „Die etwas fortschrittlichere Opposition schafft es nicht, ein politisches Programm zu stemmen, das mehr darstellt als eine einfache Ablehnung der regierenden Partei, und scheut auch das Risiko, ausdrücklich für die Verteidigung ethnischer Minderheiten einzutreten.“
Während sein Kontrahent Wirtschaft und Verteidigung privilegiert, setzt Rahul Gandhi vornehmlich auf den Kampf gegen Armut. Im Falle eines Wahlsiegs verspricht er insbesondere ein gesichertes Grundeinkommen für 50 Millionen Haushalte. Die ärmsten Familien bekämen dadurch ein vom Staat gesichertes Grundeinkommen von 72.000 Rupien, d. h. 923 Euro, pro Jahr.
Trotz diesem sozialen Programm wird Rahul Gandhi häufig beschuldigt, in einer goldenen Blase zu leben. Der Spross einer der angesehenen Familien des Landes wird von seinen Gegnern auch „der Prinz“ genannt.
Lucie Duboua-Lorsch, ARTE Info